2011-05-05

Usability-Tests mit Kindern durchführen 1: Die Einleitung


Bei Kindern zwischen 3 und 12 Jahren, sind die verschiedenen Fertigkeiten sehr unterschiedlich weit entwickelt. 
Dies betrifft nicht nur die Fähigkeiten beim Umgang mit dem Computer, sondern auch die Aufnahmefähigkeit und das Verständnis dafür, gestellte Aufgaben gezielt umzusetzen. Nicht zuletzt ist beim Auswerten der Ergebnisse zu bedenken, dass die Kritikfähigkeit und -bereitschaft sich von der erwachsener Menschen und auch innerhalb dieser Altersspanne sehr stark unterscheidet. 

Aus diesen und weiteren Gründen ist es daher unbedingt erforderlich, dass man bei Usability-Tests mit Kindern auf diese Eigenschaften und Bedingungen gezielt eingeht. Nur so kann ein erfolgreiches Gelingen und verwertbare Ergebnise sichergestellt werden. 

In den folgenden Beiträgen gehe ich auf diese Feinheiten ein. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns zunächst mit der Einleitung der Tests:

Das System wird getestet, nicht das Kind

Wie auch bei Tests mit Erwachsenen ist es besonders wichtig zu verdeutlichen, dass das System getestet wird und nicht das Kind. Das Kind darf gerne Fehler machen - ja es hilft sogar, wenn es Fehler macht, denn die anderen Kinder, die später das Produkt verwenden werden, werden auch Fehler machen. Daher ist es wichtig zu testen, wie sich das Produkt dabei verhält.
Es muss klar gestellt werden, dass die Meinung des Probanden zum Produkt und ihre Mithilfe gefragt sind. Es geht nicht darum die Leistung des Kindes zu messen oder gar zu beurteilen.

Wenn die Kinder nicht weiterkommen, liegt es in der Regel an dem Produkt und nicht an dem Kind.

Sollten die Eltern nach der Einleitung im Testraum bleiben wollen, sollten sie nach Möglichkeit außerhalb des Sichtfeldes platziert werden. Außerdem schon vor der Session instruieren, dass sie keine Hilfestellungen geben dürfen und ihr Kind nicht ablenken sollen.

Hilfestellung

Da Kinder in der Regel mehr Hilfestellung erwarten, als erwachsene Probanden, muss vor dem Test erklärt werden, dass das Kind die Aufgaben selbstständig durchlaufen soll. Gibt es im späteren Verlauf doch viele Fragen, sollte mit Gegenfragen reagiert werden. "Was meinst Du?"


Usability-Tests mit Kindern vorbereiten

Ein Usability-Test sollte gründlich vorbereitet werden. Dies gilt natürlich auch insbesondere für Tests, die man mit Kindern durchführt.


Folgende Punkte empfehlen die Autoren von "Guidelines for Usability Testing with Children":

  • Das Testlabor sollte kinderfreundlich eingerichtet werden, um etwas vom "offiziellen Charakter" zu verlieren. ZB. ein paar Poster an der Wand. Eine Spielecke wäre aber zu viel des Guten und würde eher ablenken.
  • Vorschulkinder sollten das gleiche Eingabegerät benutzen können, wie es dies von zu Hause gewohnt ist: Maus vs. Trackball, 1 vs. 2 Button. Die Geschwindigkeit des Mauszeigers sollte auf das Minimum reduziert werden.
  • Die Laborausrüstung (Kameras, Mikrophone, etc.) müssen zwar effektiv eingesetzt werden (damit man zB. die Mimik des Kindes gut erkennen kann), sollten aber so unauffällig wie möglich platziert werden. Die Kamera sollte nie direkt vor dem Probanden platziert sein.
  • Maximale Dauer eines Tests: eine Stunde, Vorschulkinder: eine halbe Stunde (hier zusätzliche Zeit für freies Spielen und Exploration einplanen).
  • Die Pausen zwischen zwei Probanden sollten größer eingeplant werden als gewohnt, da die Zusammenarbeit mit Kindern für den Testleiter anstrengender ist als mit Erwachsenen.
  • Wie immer gilt, dass die Reihenfolge der Tasks zwischen den Probanden variieren sollte. Dies ist hier besonders wichtig, da Kinder schneller ermüden und unkonzentrierter werden, als Erwachsene.
  • Es sollten immer Kinder für Tests ausgewählt werden, die bereits mindesten ein halbes Jahr Erfahrungen im Umgang mit Computern haben...
  • ... allerdings sollten Kinder mit überdurchschnittlichen Erfahrungen (Programmieren, Webseiten bauen) vermieden werden (wenn dies nicht explizit die Zielgruppe ist).
  • Kinder von Kollegen und die eigenen sollten nicht als Probanden eingeladen werden: Erstens sind ihnen Terminologien aus dem Produkt, der Branche bekannt und zweitens haben sie eine andere Einstellung zu dem Produkt, wenn ein Elternteil es mit entwickelt hat. Diese Faktoren verfälschen das Ergebnis.